So klingen unsere Glocken...
Erfahren Sie hier mehr über deren Geschichte.
Fortsetzung Dekantas![]() |
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![]() Aus dem Probenraum klingt der bunte Klangteppich der verschiedenen Instrumente. Inzwischen haben alle ihren Platz eingenommen. Neuigkeiten werden ausgetauscht, während die Geigen sich aufeinander abstimmen. Die Oboistin Renate hat einen besonders schweren Notenständer erwischt und kämpft noch mit dem Aufbau. Kantorin Wiebke Friedrich verteilt neue Noten. Für die Streicher wird ein Workshop angekündigt. „Ich streichle auch mein Instrument“, brummelt eine der Holzbläserinnen neben mir. Die Probe des heutigen Abends steht ganz unter dem Einfluss des bevorstehenden Sommerkonzertes. „Die kleine Nachtmusik“ von W. A. Mozart soll der Höhepunkt des Konzertes werden. Die Musiker/innen haben inzwischen alle vier Sätze einstudiert. Jetzt wird der 4. Satz noch einmal unter die Lupe genommen. Ein letztes Stimmen, ein klemmender Notenständer, eine neckische Frage „Spielen wir von vorne oder von hinten?“ - dann kann es losgehen. Etwa in der Mitte des Satzes müssen die Flöten nachgestimmt werden, die Oboe schließt sich an. Die Geige gibt den Ton an. Dann werden einzeln schwierige Abschnitte in verschiedenen Instrumentenkombinationen geübt. „Lasst euch nicht vom Saxophon niedermachen. Ihr dürft ruhig übertreiben, das ist in dem Stück so“, ermutigt Wiebke Friedrich die Klarinetten und lädt die 2. Geigen zu mehr Selbstbewusstsein ein. Dann dürfen die Querflöten eine rhythmisch besonders herausfordernde Stelle nochmals üben. „Eine Millisekunde früher einatmen“ ist der Rat ihrer Dirigentin. „Das ist ja feinste Präzessionsarbeit“, denke ich. Doch die Mühe lohnt sich und bald erklingt der komplette Satz fehlerfrei. Dann ist es geschafft. „Brrrrrr!“ prustet das Saxophon neben mir und entspannt seine Lippen. „Für die Bläser ist dieses Stück anstrengend.“ Wasserflaschen zischen. Es ist warm im Probenraum und die Temperaturen heute sind schweißtreibend. Doch die Fenster will man nicht öffnen, um die Nachbarschaft nicht zu beschallen. Trotzdem sind alle mit Konzentration und Elan dabei. Und so ist die Pause nur kurz und der neu ausgeteilte „Elgar - Marsch“ wird probiert. Wiebke Friedrich spielt ihn einmal auf dem Klavier vor. „Das wollen wir mit dem Posaunenchor zum Abschluss spielen.“ Für die erfahrenen Musiker/innen des Kammerorchesters ist das Stück keine große Hürde und es wird gleich vom Blatt gespielt. Die letzten zehn Minuten der Probe werden dem 2. Satz der „Kleinen Nachtmusik“ gewidmet. Notenblätter rascheln, ein kurzes Schwätzchen, dann warten alle konzentriert auf den Einsatz. „Versucht mal durchzukommen!“ ermutigt Wiebke Friedrich ihr Orchester. Mit diesem Satz hat man sich in der letzten Probe ausführlich beschäftigt und die schwierigen Stellen auseinander genommen. Wiebke Friedrich arrangiert alle Stücke für das Orchester selber. „Das ist zeitintensiv“, erklärt sie später, „und ich mache dies meist in den Ferien, wenn ich dranbleiben kann! Dabei ist es wichtig, die einzelnen Musiker/innen in ihrem Können gut abzuholen.“ Gespannt höre ich dem Orchester zu, das angefangen hat zu spielen. Mir fällt auf, dass jede Instrumentengruppe sich mindestens einmal solistisch zeigen darf. Zu den Anweisungen ihrer Dirigentin machen sich die Musiker/innen eifrig Notizen und setzten ihre Anregungen sofort um. Man merkt, wie gut diese Gruppe zusammengewachsen ist und miteinander harmoniert. Die Freude am gemeinsamen Musizieren ist deutlich spürbar. Dann ist die Probe zu Ende. Fasziniert schaue ich Britta zu, die ihr Saxophon trocken legt. Das Teil dazu ist eine Miniaturausgabe des Werkzeugs, das der Schornsteinfeger in Großformat mit sich herumschleppt. Während die Musiker/innen ihre Instrumente und Noten zusammenpacken, habe ich noch die Gelegenheit, den einen oder anderen näher kennen zu lernen. Renate spielt Oboe und liebt klassische Musik. Die bisherigen Highlights waren für sie die „Kleine Nachtmusik“ und die „Kinder-sinfonie“, die am Sonntag Kantate gespielt wurde. „Ich fände es toll, wenn wir mehr mit der Kantorei zusammen musizieren würden!“, verrät sie. Steffi spielt Querflöte. „Es macht einfach Spaß mit anderen zusammen zu spielen. Das Klangergebnis ist einzigartig. Am beeindrucktesten für mich ist, wenn beim Weihnachtsliedersingen alle Aktiven gemeinsam zum Abschluss den „Stern von Bethlehem“ spielen und singen.“ Ursula spielt Cello. Nach ihrer Pensionierung hat sie wieder angefangen, sich ihrem Instrument zu widmen und nimmt begleitend Unterricht. Der Cellist Olaf verfügt über viel Spielpraxis und war schon mehrfach mit Renate zusammen in einem Quartett zu hören. „Wir haben ein tolles Verhältnis untereinander. Das ist nicht selbstverständlich.“ So sind im Kammerorchester „Dekantas“ im Laufe der Zeit nicht nur Musikerfreundschaften entstanden, die sich über die Proben hinaus fortgesetzt haben. Da musizieren auch Mutter und Tochter Seite an Seite. „Es ist immer wieder schön, wenn Mütter von ihren Töchtern ermahnt werden“, lautet ein Kommentar dazu. „Wenn man das Dekanatskammerorchester heute sieht und hört, glaubt man kaum, dass sein Fortbestand zu Beginn meiner Arbeit in Groß-Gerau vor sechs Jahren arg auf der Kippe stand!“ erzählt Kantorin Wiebke Friedrich. „Klein war damals die Besetzung mit einer Querflöte, einer Klarinette, und einer kleinen, aber vollständigen Streicherbesetzung. Dank Cornelia Lehr, die seit Gründung des Ensembles bis heute in der ersten Geige dabei ist, hat das Orchester die Vakanzzeit zwischen meiner Vorgängerin Petra Müller und mir aber überlebt und ich bin sehr stolz darauf, wie sich die Truppe bis zum jetzigen Zeitpunkt entwickelt hat. Aus vielen Gemeinden unseres Dekanates musizieren Jung und Alt nebeneinander, manche spielen ihr Instrument bereits jahrelang, manche erst seit zwei Jahren. Da ich alle Stücke selber am Computer arrangiere und somit die verschiedenen Leistungsstände berücksichtigen kann, ist es möglich alle unter einen Hut zu bekommen und tolle klangliche Ergebnisse zu erzielen. Für mich ist es immer wieder spannend und eigentlich jedes Mal ein tolles Erlebnis, wie die arrangierten Stücke, die ich bis zur ersten Probe nur als Computersound kenne, dann in der richtigen Besetzung klingen. Das Orchester trägt viel zu der musikalischen Vielfalt im Dekanat, aber auch in unserer Gemeinde bei.“ Andrea Erdmann |